Mit dem iPhone auf O-Ton-Jagd

Die Arbeit von Radioreportern ist ein bisschen wie Kochen: Man braucht dazu ein gutes Rezept bzw. ein gutes Konzept, aber ohne die richtigen Zutaten wird’s nix. Die wichtigste Zutat für einen Radiobeitrag sind O-Töne, so knackig wie möglich. Ich bekomme sie von Politikern und Professoren, Ärzten und Landwirten, oft auch einfach von den Menschen, die ich auf der Straße treffe. Diese O-Töne will ich so schnell und einfach wie möglich ins Schnittprogramm bekommen, auf meinen Computer im Funkhaus.

Kassettenrekorder

Noch 2006 rannte ich als Praktikant bei hr3 mit einem schweren Kassettenrekorder durch die Gegend. Wenn ich zurückkam, musste ich die Töne in Echtzeit ins Schnittprogramm einspielen. Ich tendiere schon immer dazu, mehr aufzunehmen, als ich eigentlich brauche, und so durfte ich regelmäßig eine halbe Stunde vor dem Computer Däumchen drehen, bis die Töne für eine 30-Sekunden-Collage endlich überspielt waren.

 

Old School Kassette

 

Diktiergeräte

Dann kam die Zeit der Diktiergeräte oder “Field Recorder”: Die Teile sind so klein, dass man sie ohne Probleme in einer Hand halten kann, ein Stereo-Mikro ist schon integriert. Ich musste nur noch einen Popschutz mit dem Senderlogo drüberziehen und konnte damit auf O-Ton-Jagd gehen. Die aufgezeichneten Töne konnte ich per USB auf den Computer überspielen und von dort ins Schnittprogramm ziehen. Das geht deutlich schneller als mit dem Kassettenrekorder.

 

Diktiergerät Olympus LS-5

 

iPhone

Doch dann kam dieses Gerät mit dem Namen “iPhone”, ein ganzer Computer im Hosentaschenformat, ebenfalls mit integriertem Mikrofon. Als ich während meines Volontariats 2012 im ARD Hauptstadtstudio in Berlin war, sah ich im Bundestag zum ersten Mal Reporter, die tatsächlich ihr iPhone verwendeten, um O-Töne von Politikern aufzuzeichnen – mit der vorinstallierten Sprachmemo-App von Apple. Es war kompliziert, die Töne vom iPhone runter zu bekommen und die Knöpfe auf dem Display waren zu klein für den professionellen Einsatz. Richtig gute Alternativen gab es nicht.

Also begann ich zusammen mit Daniel Strecker selbst ein Konzept für eine App zu entwickeln – eine App, die speziell auf Radioreporter zugeschnitten sein sollte. Wichtig war uns dabei, dass man jederzeit aufnahmebereit ist. Mit nur einem Knopfdruck sollte man zurück zum Rekorder gelangen, egal was man gerade mit der App macht. Sie sollte stabil sein und die Benutzeroberfläche so einfach, dass jeder die App intuitiv bedienen kann, mit einem großen Aufnahme-Knopf, den man mit dem Daumen nicht verfehlen kann. Man sollte den Rekorder einhändig bedienen können.

Nach rund zwei Jahren Entwicklungszeit war die App fertig. Wir nannten sie Roadcast, seit August 2014 steht sie im App Store.

 

iPhone mit Roadcast und Stereo-Mikrofon Røde iXY

 

Roadcast

Ich sehe das iPhone in Kombination mit Roadcast als nächsten Schritt in der Recorder-Evolution: Reporter brauchen jetzt nicht mal mehr ein extra Gerät mit sich herumzutragen, sondern können einfach ihr Smartphone benutzen, um Interviews aufzuzeichnen – und das haben sie ja ohnehin immer dabei. Nach dem Interview werden die relevanten O-Töne übers mobile Internet ins Funkhaus übertragen, per Dropbox, FTP, E-Mail oder Soundcloud, während ich als Reporter gemütlich zurück fahre, mit dem iPhone in der Tasche.

Sobald alle Dateien übertragen sind, erscheint eine Benachrichtigung. Wenn ich zurück im Funkhaus bin, kann ich die O-Töne einfach z.B. von meiner Dropbox ins Schnittprogramm ziehen. Dabei habe ich keine kryptischen Namen, so wie beim klassischen Diktiergerät, sondern Titel, die mir den Inhalt der Datei verraten. Das geht nicht nur schneller, sondern macht auch mehr Spaß.

Der Ü-Wagen für die Hosentasche

Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: Wenn die Zeit drängt, kann ich einen Reporter-Aufsager von unterwegs machen und sofort ins Funkhaus schicken. Die Kollegen schneiden den Ton sauber und fünf Minuten später bin ich quasi-live auf Sendung – in guter Tonqualität. In vielen Fällen kann Roadcast also sogar einen ganzen Ü-Wagen ersetzen.

Roadcast – The Radio Reporter’s App

Roadcast App IconInzwischen ist Roadcast in der Version 1.2 erschienen.
Es gibt eine kostenlose Version zum Ausprobieren und für alle, die nur sporadisch mal was mit ihrem iPhone aufnehmen wollen. Alle Infos zur App bekommt ihr auf der Roadcast Homepage und natürlich im App Store.